Backsteinbauten an der polnischen Ostseeküste


Frombork/Frauenburg: Burg und Kathedrale


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Denkmal vor Burg und Dom
Wenn man den Beginn der Neuzeit mit einem Ort und einem Namen verbinden will, dann ist dies hier die richtige Adresse: In Frauenburg schuf Nikolaus Kopernikus sein bahnbrechendes Werk über die Bewegung der Himmelskörper. Die Erde steht NICHT im Mittelpunkt! Der Übergang zum heliozentrischen Weltbild, die kopernikanische Wende, leitete die Neuzeit ein. Kopernikus war Domherr in Frauenburg und ist im Dom begraben.
Doch der Reihe nach:
Als der Deutsche Ritterorden im Mittelalter sich anschickte das Prussenland zu erobern, wurde das Gebiet zeitgleich in Bistümer aufgeteilt. Der Bischof von Ermland wählte 1250 Braunsberg (Braniewo) als Bischofssitz und ließ hier die erste (noch hölzerne) Kathedrale und eine Burg erbauen.
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Nachdem aber die Prussen die Burg in einem Aufstand zerstört hatten, verlegte 1278 der nächste Bischof seine Residenz dann an eine wehrtechnisch günstigere Stelle und ließ die neue Burg und eine der Jungfrau Maria geweihte Kirche am Frischen Haff auf einer mehrere Meter ansteigenden Hochfläche errichten. Burg und Ort unterhalb wurden nach der Jungfrau Maria "Frauenburg" benannt. Zehn Jahre später waren das Domkapitel und die Domherren endgültig umgezogen. In der Region wurden Dörfer gegründet, Mühlen und Sägewerke gebaut, die Wirtschaft blühte unter der Verwaltung und weltlichen Gerichtsbarkeit der Domherren auf. (1)
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Türme in Frauenburg
Von Anfang an war der Dombezirk von Frauenburg (im Gegensatz zur Siedlung) befestigt, zunächst mit einer Holz-Erde-Konstruktion. Die steinernen Bauten, die Mauern, Tore und Türme wurde ab Mitte des 14. Jahrhunderts bis in das 15. Jahrhundert errichtet. Bis zu Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die Wehranlagen ständig weitergebaut und modernisiert. Die Domburg in Frauenburg ist hervorragend erhalten und in Europa einzigartig. Schauen wir uns um!

Frauenburg: Die Domburg


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Kopernikusturm
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Radziejowski-Turm
Die längsrechteckige Anlage (der NW-Bereich ist abgeschrägt) nutzt die natürlichen Gegebenheiten des Hügels perfekt aus. An den Ecken befinden sich jeweils Wehrtürme oder entsprechend nutzbare Gebäude. So wurde das Kapitelhaus in der NO-Ecke in Form eines Wehrturms gestaltet. An der abgeknickten NW-Mauer befinden sich an der Nordecke der Kustodienturm, ein halbrunder Turm, benannt nach dem dahinterliegenden Haus des Kustos, und an der Westecke der heute sogenannte Kopernikusturm. Die Südwestecke der Domburg beherrscht der Radziejowski-Turm, benannt nach Bischof Radziejowski, der den Turm im 17. Jahrhundert als Glockenturm aufstocken bzw. umbauen ließ. Ursprünglich handelte es sich um einen Geschützturm, der im 15. Jahrhundert auf achteckigem Grundriss erbaut worden ist und über zwei Geschützebenen und eine Wehrplattform verfügte.

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Ganz links: der halbrunde Kustodienturm; ganz rechts: der viereckige Kopenikusturm

Zwei Toranlagen führen in die Burg. Das im 15. Jahrhundert erbaute Haupttor befindet sich im Süden und wird von zwei mächtigen halbrunden Türmen flankiert. Eine Zugbrücke führte über den Graben in eine 1557 errichtete vorgelagerte Barbakane, von der noch Reste erkennbar sind. Die Toranlage wurde in späterer Zeit für Wohnzwecke aufgestockt.

Südseite und Hauptzugang der Domburg
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Grundriss der Domburg
Das Anfang des 15. Jahrhunderts errichtete zweite Tor befindet sich an der Westseite. Im dem viereckigen Torturm kann man durch das (rekonstruierte) Fallgatter eine Vorstellung bekommen, wie Tore einst mehrfach gesichert waren. Auch das Haupttor enthielt ein solches Fallgatter, die Nuten sind dort noch vorhanden. Treten wir jetzt duch das Westtor in die Domburg ein! Dabei sieht man, dass die Westseite innen bis zum Kopernikusturm mit zwei übereinander liegenden Wehrgängen versehen war.

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Die Domherren wohnten in "normalen" Zeiten außerhalb der Domburg. Wohl für ihre Bequemlichkeit um schnell in den Ort und an das Frische Haff zu gelangen, gab es noch zwei weitere Pforten: Eine schmale in der Ostmauer, geschützt durch eine halbrunde Ostbastei und einen Zugang mit Torhaus in der abgeknickten NW-Mauer. Der letztere wurde 1708 zugemauert, die ehemalige Toröffnung ist aber noch gut erkennbar.
Für die Instandhaltung und Verteidigung der Domburg waren die Domherren verantwortlich, jeder von ihnen für einen entsprechend zugewiesenen Abschnitt der Mauer. Die Herren kämpften aber nicht selbst, das übernahmen in Sold stehende Männer.

Wir durchschreiten das Haupttor und haben einen schönen Blick auf den Dom...

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... der noch gesteigert wird, wenn man auf die Aussichtsplattform des  Radziejowski-Turms steigt.
Von hier oben öffnet sich eine wahrhaft phantastische Aussicht auf den Dom, auf die Befestigungsanlagen der Domburg und auf das Frische Haff.

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In der Domburg kann man an mehreren Stellen dem berühmten Domherrn Nikolaus Kopernikus und seinen Erkenntnissen begegnen. So beherbergt der nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaute ehemalige Bischofspalast ein Kopernikus-Museum, im Kopernikusturm ist ein Kopernikus-Arbeitszimmer eingerichtet und im Radziejowski-Turm hängt ein Foucaultsches Pendel. Mit einem solchen Pendel wird gern die Erdrotation demonstriert: Hat man genügend Zeit, dann sieht man, wie sich die Schwingungsrichtung des Pendels verändert. Tatsächlich aber bleibt die Schwingungsebene des Pendels im Raum konstant, statt dessen dreht sich unsere Erde darunter hinweg.
Kopernikus tat sich mit der Veröffentlichung seiner bahnbrechenden Arbeit über die Bewegung der Himmelskörper damals schwer, zu radikal waren die Konsequenzen. Das mittelalterliche Weltbild und die kirchliche Autorität wurden dadurch komplett in Frage gestellt. Wir können heute unbefangen von hier oben die Aussicht über das Frische Haff genießen, für den mittelalterlichen Menschen brach damals eine Welt zusammen.

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*) Finde den Fehler: Das Panorama-Bild wurde aus zwei Einzelbildern zusammengesetzt, dabei gingen in dem gelben Gebäude (vorn Mitte) Fenster verloren.

Der Dom Mariä Himmelfahrt und St. Andreas

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Der erste hölzerne Bau der Kathedrale entstand um 1278. Unter Bischof Heinrich Wogenapp wurde dann 1329 mit dem Bau der gotischen Kirche in Backstein von Ost nach West begonnen. Der langgestreckte Chor ist gerade geschlossen und mit Sterngewölben versehen. Er wurde 1342 geweiht. An ihn schließt sich der ebenfalls langgestreckte, achtjochige und dreischiffige Kirchenraum an. Mit der Wölbung des Langhauses und der Errichtung einer Vorhalle war der Bau 1388 vollendet. (Das Weihedatum des Chores und das Datum der Vollendung sind inschriftlich überliefert.)

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"Die hervorragende gotische Architektur des Frauenburger Doms begeistert durch ihre harmonischen Proportionen und hohe Qualität der Bauelemente: filigrane Giebel, Ecktürme und Gewölbeformen. Gotische, aufwendig profilierte Portale, von denen besonders zwei in der Hauptfassade durch ihr Dekor und ihre Symbolik auffallen, führen in das Innere." (zitiert aus: Jackiewicz-Garniec/Garniec (1))
Gehen wir hinein!

Dom in Frauenburg, Langhaus und Chor
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Bei Boetticher (2) können wir lesen:
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Domgrundriss, aus (2)
"Der Grundriss (Abb.) zeigt die nüchterne Anlage eines Langhauses aus drei gleich hohen und langen Schiffen in einer Längsausdehnung von acht Jochen. Nur durch einfach achteckige Pfeiler, die nicht einmal durch Kapitellbildungen oder sonstige Gliederungen eine Auszeichnung erhielten, in drei gleich hohe Schiffe geteilt, besteht die ganze Auszeichnung des Langhauses in den nicht unbedeutenden Abmessungen derselben nach Länge, Breite und Höhe. (Höhe 17 m vom Fußboden bis zum Schlußstein des Gewölbes.)
Die Profile der die Pfeiler der Länge des Schiffs nach verbindenden Spitzbögen sowie der Rippen der (...) Sterngewölbe bewegen sich (...) in gewöhnlichen Formen; nicht einmal Konsolen (...) dienen den letzteren in sonst üblicher Weise als Unterstützung. Der Unterbau der vier Ecktürme tritt (...) in die Eckgewölbe der Seitenschiffe hinein.
" (nach von Quast, in (2))

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"Es folgt der nahezu gleichseitig spitzbogige Triumphbogen, worauf um einige Stufen erhöht der einschiffige gerade geschlossene Chor beginnt. Er hat fünf Joche achtteiliger Sterngewölbe, deren Rippen auf den mit edelgebildetem Blattwerk geschmückten Kapitellen aufsetzen, welche die aus mehreren Rundstäben gebildeten Säulen krönen, die auf einem einfachen Sockel stehen." (2)
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Abbildung aus: Boetticher (2)
Ein Vergleich mit der Abbildung (vor 1894) aus (2) zeigt, dass die üppige barocke Ausstattung des Domes mit Altären erhalten blieb. Boetticher listet die Altäre an den Pfeilern einzeln auf:
Linke Seite, Pfeiler vom Hochaltar an gezählt: Michaelisaltar, Anna-Altar, Altar der schmerzhaften Mutter, Altar der Himmelaufnahme Mariä, Nikolaus- oder Theresien-Altar, Martinaltar, Augustinusaltar,
Rechte Seite, Pfeiler vom Hochaltar an gezählt: Rosalienaltar, Thomasaltar, Kreuzaltar, Simon-Judas-Altar, Mariä majoris-Altar, Bartholomäusaltar, Laurentiusaltar, (nach (2))

Im nördlichen Seitenschiff ist der aus dem Mittelalter überkommene Hochaltaraufsatz von 1504 aufgestellt. Boetticher schreibt dazu:
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Abbildung aus: Boetticher (2)
"Er besteht aus einem Mittelschrein, an welchem sich durch Scharniere je gleich zwei Blättern eines Buches hintereinander liegende Seitenflügel anfügen. Der Mittelschrein zeigt auf gemustertem Goldgrund die Statue der hl. Jungfrau auf der Mondsichel, die Schlange zertretend; zwei Engel halten den unteren Saum ihres Gewandes. Über ihrem Haupte schweben ebenfalls zwei Engel, die Krone haltend. Die Statue ist ganz vergoldet; der Saum des Obergewandes, welches in weiten Falten bauschig herabfließt, hat eine schwer zu bestimmende Inschrift in gotischen Majuskeln. An beiden Seiten des Schreins, etwas vorgerückt, sieht man übereinander die vier großen Kirchenlehrer Gregor, Augustinus, Hieronymus und Ambrosius mit ihren Symbolen unter zierlichen Baldachinen."

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Der teilrestaurierte Altar im Jahr 2009

Boetticher weiter: "Die beiden inneren Seitenflügel sind in je drei kleinere Schreine abgeteilt, in welchen der Reihe nach, die Zähllung von oben links begonnen, die Verkündigung Mariä, die Heimsuchung, die Geburt Christi, die Anbetung der Könige, Mariä Reinigung, Mariä Himmelfahrt dargestellt sind. Die Gruppen treten in starkem Relief hervor und haben alle ein sehr energisch gehaltenes architektonisches Beiwerk, wie es eben die jedesmalige Scene erfordert." (2)
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Kopernikusdenkmal

Es war lange Zeit umstritten, ob Nikolaus Kopernikus tatsächlich im Dom begraben ist, denn sein Grab war nicht bekannt. Erst bei den Ausgrabungen im Jahr 2005 fanden Archäologen hier seine sterblichen Überreste. Das Kopernikus-Denkmal vor dem Dom zeigt einen hochaufgerichteten Mann, dessen Blick weit in die Ferne über das Wasser schweift.

Nur wenige Schritte weiter befindet sich ein Gedenkstein, der (in deutsch und polnisch) an das Schicksal der Menschen erinnert, die im zweiten Weltkrieg von hier vor dem Krieg zu fliehen versuchten.

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Gedenkstein
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450.000 ostpreußische Flüchtlinge flohen über Haff und Nehrung, gejagt vom unerbittlichen Krieg. Viele ertranken, andere starben in Eis und Schnee.
Ihr Opfer mahnt zu Verständigung und Frieden.
Jan.-Febr. 1945

Auch Frauenburg war am Ende des Krieges schwer zerstört. Machen wir uns die Mahnung auf dem Gedenkstein zu eigen!
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Literatur und Quellen:
(1) Malgorzata Jackiewicz-Garniec, Miroslaw Garniec: Burgen im Deutschordenstaat Preußen, Olsztyn 2009
(2) Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Ostpreußen. Bearbeitet von Adolf Boetticher. Heft IV. Das Ermland, Königsberg 1894


Wird fortgesetzt

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auf Anfang: Backsteinbauten

oder
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zu verschiedenen Exkursen