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Romanische Portale und Kapitelle in Sachsen-Anhalt
Die Klosterkirche St. Vitus in Drübeck
Klosterkirche Drübeck
"Die (Klosterkirche Drübeck) gehört nicht zu den größten, wohl aber zu den architektonisch interessantesten und mit vielen bauarchäologischen Rätseln behafteten Architekturschöpfungen der Romanik im nördlichen Harzraum. ... Neben der Gernröder Stiftskirche beansprucht der mit großer Wahrscheinlichkeit dem späten 10. und frühen 11. Jahrhundert entstammende Kernbau der Klosterkirche einen ausgezeichneten Platz in der Geschichte des frühen deutschen Kirchenbaus in ottonischer Zeit." (1, Holger Brülls, Die Klosterkirche zu Drübeck)
Tatsächlich ist die Kirche nur in Teilen erhalten, wobei diese Reste eine gute Vorstellung der ursprünglichen Anlage geben können. Insbesondere durch die Restaurierung in den 1950er Jahren wurde der ursprüngliche romanische Raumeindruck wieder erlebbar. Die Klosterkirche war/ist eine flachgedeckte dreischiffige Basilika (das nördliche Seitenschiff ist nicht erhalten) mit Querhaus, ausgeschiedener Vierung, weiträumiger Krypta, gestaffeltem Chor (nicht erhalten) und mächtiger zweitürmiger Westanlage mit Apsis. Die Kirche ist Bestandteil der Straße der Romanik.
Eine Informationstafel klärt über die Geschichte des Klosters Drübeck auf:
Informationstafel: Klosterkirche St. Vitus, Drübeck
Informationstafel in Drübeck
960 | In einer Schenkungsurkunde Ottos I. (936-973) wird das Kloster erst- |
mals erwähnt. Ein Immunitätsdiplom König Ludwigs III. (866-882), | |
das die Gründungdes Klosters in das Jahr 877 setzt, ist im Original | |
nicht erhalten. | |
995 | Nachdem Otto II. (973-983) das Kloster 980 von der Gerichtsbarkeit |
der Bischöfe, Grafen und Richter befreit und die freie Wahl der | |
Äbtissin und des klösterlichen Schutzvogtes gestattet, bestätigt | |
Otto III. (983-1002) das Kloster als königliches Damenstift. | |
um 1000 | Bau der ersten nachgewiesenen Kirche. Von diesem ottonischen Grün- |
dungsbau mit rheinischem Stützenwechsel *) sind nur einige Lang- | |
hausstützen mit antikisierenden Kapitellen erhalten. | |
11. Jh. | Die ottonische Basilika wird um eine neue Ostpartie mit gestaffelter |
Choranlage und fünfschiffiger Krypta erweitert. | |
1135 | Umbau der Kirche beginnt. Es wird das zweitürmige Westwerk mit Chor |
errichtet, das Langhaus eingewölbt, der Fußboden angehoben und | |
alle Kapitelle und Basen mit herausragenden Stuckdekor überzogen, | |
von dem noch Reste erhalten sind. | |
1535 | Kloster Drübeck wird im Bauernkrieg verwüstet und unter Verzicht u. a. |
auf das nördliche Seitenschiff und den Ostabschluss der Kirche | |
wieder aufgebaut. | |
1599 | Durch Brandstiftung werden große Teile des Klosters zerstört. |
17. Jh. | Das Gewölbe der Kirche stürzt ein und wird durch eine Holztonne |
ersetzt. | |
1687 | Drübeck geht in den Besitz der Grafen von Stolberg-Wernigerode über. |
Sie erneuern bis 1732 alle Konvent- und Wirtschaftsgebäude des | |
Klosters. | |
1953-1956 | Die Kirche wird in den baulichen Zustand der ottonisch-sali- |
schen Zeit zurückgesetzt. Das 1883 abgebrochene südliche Seiten- | |
schiffwird wieder aufgegebaut, Reste des Kreuzgangflügels an der | |
Südseite der Kirche freigelegt, die 1657 eingezogene Holztonne | |
entfernt und der Fußboden wieder auf das ursprüngliche Niveau ab- | |
gesenkt. | |
1991-1996 | Instandsetzungsmaßnahmen an der Kirche. Nach Um- und Neubau- |
ten wird es als Tagungsstätte der Evangelischen Kirche der Kirchen- | |
provinz Sachsen mit dem Pädagogisch-theologischen Institut, dem | |
Pastoralkolleg und dem Haus der Stille wieder eröffnet. |
Herrscherhaus privilegierten Klosters ist bis auf eine Kalksteintaufe im Süd-
querhaus und den Rest einer stuckierten Grabplatte einer Äbtissin in der Krypta
nichts erhalten. Der Flügelaltarin der Vierung stammt aus der Drübecker Pfarr-
kirche St. Bartolomäus und entstand um 1470/80.
*) Im Gegensatz zum sächsischen (bzw. niedersächsischen) Stützenwechsel, bei
dem auf einen Pfeiler zwei Säulen folgen, wechseln sich beim rheinischen
Stützenwechsel Pfeiler und Säule ab.
Westbau
Der hochromanische Westbau der Drübecker Klosterkirche ist als Zweiturmfassade mit Westchor und Apsis ausgebildet. Über dem blockhaft geschlossen Westriegel mit der Apsis erheben sich die achteckigen Türme. Der monumental wirkende Westbau zeigt Ähnlichkeiten mit Gernrode oder Gandersheim.
Im Südturm befindet sich ein romanisches, gestuftes Portal.
Im Südturm befindet sich ein romanisches, gestuftes Portal.
Das Langhaus der Klosterkirche wird geprägt durch den Stützenwechsel und die großen Bögen, welche die Pfeiler miteinander verbinden. An fünf von sechs Säulen kann man korinthisierende Kapitelle bewundern, die zum Vorschein kamen, als bei der Restaurierung im 19. Jh. der Stucküberzug entfernt wurde.
Diese frühe Kapitellform hat zu starken Diskussionen angeregt, heute wird allgemein angenommen, dass die Kapitelle aus der ottonischen Zeit um etwa 1000 stammen. Die Zungenblattformen und Palmetten zeigen deutlich, wie die Künstler jener Zeit versucht haben, das antike Erbe zu rezipieren und weiter zu entwickeln. Eine interessante Variante ist das östliche Kapitell der Nordwand: über den zwei Blattreihen befinden sich kräftige, aus Spiralen hervorgehende Voluten unter der quadratischen Kämpferplatte. "Die antikisierende Bauzier weist die Kirche in einem nicht nur stilgeschichtlichen, sondern auch geschichtsphilosophischen Sinn als >>romanischen Bau<< aus. Indem dieser das römisch-antike Element vorzeigt, macht er deutlich, dass das Reich des frühen und hohen Mittelalters Fortsetzung des >>Imperium Romanum<< sein will, anders und vollkommener als dieses, weil neu fundiert auf der Grundlage des christlichen Glaubens." (2, Holger Brülls, Die Klosterkirche zu Drübeck)
Um im 12. Jahrhundert die Klosterkirche einwölben zu können, wurden Wandvorlagen angebracht, deren Konsolen mit Flecht- und Diamantbändern geschmückt sind. Teilweise enden die Bänder in kleinen Palmetten.
Zu dieser Zeit wurden auch die alten korinthisierenden Kapitelle des Langhauses "modernisiert" und mit einer Stuckdekoration überzogen. Diese Stuckdekorationen mit ihren figürlichen Darstellungen und Rankenwerk wurden später wieder entfernt, ein paar Restbeispiele sind jedoch erhalten (und sollen ausgestellt werden).
Zu dieser Zeit wurden auch die alten korinthisierenden Kapitelle des Langhauses "modernisiert" und mit einer Stuckdekoration überzogen. Diese Stuckdekorationen mit ihren figürlichen Darstellungen und Rankenwerk wurden später wieder entfernt, ein paar Restbeispiele sind jedoch erhalten (und sollen ausgestellt werden).
An der Südwestarkade ist noch ein besonders schönes Eckmaskenkapitell erhalten: Die (mit kräftigen Nasen versehenen) bärtigen Männerköpfe tragen Kopfbedeckungen (Mützen?, Kronen?), ihre zweigeteilten Bärte werden durch ein Band eingerahmt und sind über Palmettenornamente miteinander verbunden. Dagegen vermittelt die Krypta ein eher archaisches Raumgefühl, auch wenn sich an der einen Kapitellseite ein interessantes Tiermotiv entdecken lässt ... aber entdecken Sie doch selbst!
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Quelle:
Holger Brülls, Die Klosterkirche zu Drübeck, DKV-Kunstführer Nr. 461, 5. Aufl., 2009, (1) - S. 2, (2) - S. 18
Holger Brülls, Die Klosterkirche zu Drübeck, DKV-Kunstführer Nr. 461, 5. Aufl., 2009, (1) - S. 2, (2) - S. 18
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