Mauern, Tore und Türme in Sachsen-Anhalt

Die Stadtbefestigung von Tangermünde - Teil 2


Tangermünde gehört mit zu den absolut sehenswerten Orten der Altmark. Doch für den Stadtbummel durch die schöne Altstadt mit dem prächtigen Rathaus sollte man sich richtig Zeit nehmen! Am Markt kann man Informationen zur Stadt  und ihren Sehenswürdigkeiten bekommen. Wir setzen aber jetzt erst einmal die Erkundung der Stadtbefestigung im zweiten Teil des Rundganges an der Wasserseite fort.
Dabei halten wir uns wieder (kursiver Text) an den 1972 herausgegebenen Stadtführer
Joachim-Albrecht Kohlmann: Tangermünde, Ein Besuch in der alten Elbestadt, Veröffentlichungen des Altmärkischen Museums Stendal, 3. überarb. Auflage, 1972
(Zwischentexte und -überschriften: hb)

Die elbseitige Stadtmauer und die Putinnen

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Putinnen
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Infotafel
"Die Marktstraße führt weiter zu den Putinnen. Es sind zwei Türme, die etwa 30 Meter voneinander entfernt auf der Stadtmauer stehen. Sie schützen eine kleine Treppe, die als Zugang zum Fluss dient. Die Tangermünder waren häufig auf das Tangerwasser angewiesen. So besaß die Stadt im 18. Jahrhundert nur 12 Brunnen, die mitunter kaum das nötige Trinkwasser liefern konnten. Der östliche Turm ist eine Zeitlang Bürgergewahrsam gewesen. (...) Durch den westlichen Turm führt die bereits erwähnte Treppe hindurch." Beide Türme wurden um 1470 errichtet.
Die gesamte Stadtmauer ist 2003 umfassend saniert worden. Der Unterschied zum Zustand im Jahr 1972 ist deutlich sichtbar.

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Stadtmauer mit "Putinnen", Bild links: Aufgang im Jahr 1972

"Wir steigen die Treppe der Putinnen hinab und gelangen zu dem eindruckvollsten Teil der Stadtmauer. (...) Sie wurde um 1300 oder etwas später errichtet und ist auf der Elbseite noch annähernd in voller Höhe erhalten, wobei allerdings nur noch der Unterbau ursprünglich ist. Im Laufe der Zeit litt die Mauer durch die Abwässer die nur durch zwei Kanäle notdürftig aus der Stadt abgeführt wurden. Als man damit begann, den hinter der Mauer liegenden Laufgraben zuzuschütten, gab das Mauerwerk nach und stürzte ein. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war sie daher streckenweise durch Wellerwände und Palisaden ausgeflickt. So musste die Mauer neu aufgeführt werden. Dabei setzte man starke Strebepfeiler davor, welche die Schubwirkung des Erdreiches abfangen. König Friedrich II. von Preußen forderte von der Stadt den Wiederaufbau der Mauer, um den Schmuggel zu verhindern. Der gesamte Verkehr sollte ausschließlich durch die Stadttore gehen, an denen die Akzise erhoben wurde. So verwandelte sich die ehemalige Schutzmauer in eine Zwingmauer. Auch später sind noch Teile der Mauer eingestürzt und mussten völlig erneuert werden, was am kleinen Steinformat zu erkennen ist. Der Backstein des Mittelalters, der sogenannte Klosterformatstein, hatte größere Abmessungen. Trotz allem ist aber die ursprüngliche Wirkung der Gesamtanlage recht gut erhalten."

Stadtmauer (Wasserseite) in Tangermünde
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"Wir gehen auf dem Weg unterhalb der Stadtmauer weiter. Er verläuft etwa an der Stelle des ehemaligen Stadtgrabens. Auf der rechten Seite liegt unter Büschen*) Feldsteinmauerwerk. Es hat mit der alten Stadtbefestigung nichts zu tun. 1932 fand man es im Elbebett beim Absuchen der Fahrrinne zwischen Bittkau und Ringfurth und stellte es hier auf. Vermutlich gehören die Mauerreste zu einem wüst gewordenen Dorf, über das nun schon seit langem die Elbe hinwegströmt."
*) Heute stehen die beiden kleinen Esel hier. Sehen Sie dazu auch die Information im Gästebucheintrag #9 von R. Ritter.

Der Steigberg

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Steigberg
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Infotafel
"Der Steigberg ist eine von einem Wehrturm überbaute Treppe im Zuge der Stadtmauer. Sein oberer Abschluss dürfte ursprünglich eine Plattform mit Zinnenkranz gewesen sein. Unterhalb des heutigen Dachansatzes stecken die Zinnen noch im Mauerwerk, wie man bei genauem Hinsehen erkennen kann. Das vor dem Turm aufgeschüttete Erdreich trug eine halbrunde Bastion, von der die Roßpforte, das Stadttor der Elbseite, bestrichen werden konnte. In friedlichen Zeiten diente auch dieser Treppenaufgang der Beschaffung von Flusswasser."

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Stadtmauer (Wasserseite) in Tangermünde mit dem "Steigberg"

Elbtor und Roßfurt

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Brücke über die Roßfurt
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Roßfurt
Vom Steigberg sind es nur wenige Schritte durch enge Seitenstraßen bis man zu der Brücke gelangt, die über die Roßfurt führt. Die Roßfurt "ist eine von Futtermauern eingefasster etwa 100 Meter langer Hohlweg, der vom Elbtor zur Stadt hinaufführt." Der Korbbogen wurde 1847 errichtet. Beim Vergleich der aktuellen mit Aufnahmen von 1972 kann man das Ergebnis der aufwändigen Sanierung der Stadtmauer gut erkennenen.

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Roßfurt, mittlere Aufnahme von 1972, rechts: aus der DEFA Diaserie Tangermünde, vor 1972

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Elbtor (Stadtseite)
"Wir wollen ein wenig auf der Brücke verweilen. Vor uns erhebt sich das noch gut erhaltene mittelalterliche Elbtor, auch Roßpforte oder Wassertor genannt. Es besteht aus einem etwa 23 Meter hohen quadratischen Turm aus der Zeit um 1470, dessen Untergeschoss als Durchfahrt dient. Wie alle Tangermünder Tore, so ist auch die Roßpforte ein Doppeltor. Wegen des Elbhochwassers, das nicht selten bis an die Stadtmauer herantrat, erschien es wohl nicht zweckmäßig, ein vor der Mauer liegendes Außentor zu errichten. So hat man ein zweites Tor vor die Stadtseite des Haupttores gelegt und darüber ein Wächterhaus errichtet, das an den Turm anschließt. Außerdem baute man etwa 40 Meter stadteinwärts eine Brücke, über die ein Wehrgang hinweggeführt haben soll. Eine Lithographie aus dem Jahre 1833 zeigt an dieser Stelle eine Brücke aus Backsteinen mit einem Holzgeländer. Zu beiden Seiten eines Mittelpfeilers gaben Rundbogenöffnungen die Durchfahrt frei." (...)

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Elbtor in Tangermünde, Durchfahrt

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Elbtor (Wasserseite)...
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...in Tangermünde
"Das Elbtor öffnet sich auf seiner Flussseite mit einem gotischen Spitzbogen, an welchem noch die eisernen Torangeln erhalten sind, in denen sich ein zweiflügeliges Tor bewegte. Über dem Torbogen befindet sich eine etwa 9 Meter hohe, ebenfalls in einem Spitzbogen auslaufende Gatternische, von der die architektonische Gestaltung der Turmfront bestimmt wird. Rechts und links ist eine Führung zu erkennen, in der ein Fallgatter lief, durch welches das Tor zusätzlich verschlossen werden konnte. Die Mauerflächen sind glatt bis hinauf zu dem reich geschmückten Zinnenkranz. Auf der Nord- und Südseite ist unter Zinnen je ein Fries mit schildförmigen und runden Putzblenden angeordnet. Im Innern des Turmes liegen drei Räume übereinander. Seinen Abschluss findet er in einer Plattform, deren Zinnen man vermutlich im 17. Jahrhundert ausgemauert und mit einem Walmdach überdeckt hat. So wurde noch ein vierter Raum im Turm gewonnen."

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Stadtmauer und Elbtor in Tangermünde, Stephanskirche im Hintergrund

"Bis in das vorige Jahrhundert bildete die Roßfurt die einzige Auffahrt von der Elbe her zur Stadt. Gleichzeitig war sie das Ausfalltor in das ostelbische Land. Vor dem Tor überschritt man den Tanger auf einer hölzernen Brücke und gelangte dann zur Fährstelle an der Elbe." (...)
Unstrittig ist die Blick von der Wasserseite auf Stadtmauer und Elbtor von Tangermünde eine der schönsten Stadtansichten überhaupt...

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Vom Elbtor gelangt man nach wenigen Schritten zur nordöstlichen Ecke der Stadtbefestigung. Nur der untere Teil dieses Eckturmes blieb erhalten, seit 1724 trägt der Stumpf einen Gartenhausaufsatz.

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An der Nordost-Ecke der Stadtmauer in Tangermünde


Das Hühnerdorfer Tor

"Das Hühnerdorf, ein ehemals slawisches Dorf im Schutze der Burg, ist eine sehr alte Siedlung und wahrscheinlich älter als Tangermünde. Der Name des Dorfes soll sich von dem Brauch ableiten, dass die Bewohner ihren Zins in Form von Hühnern zahlen mussten."

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Hühnerdorfer Torturm, Feldseite
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Hühnerdorfer Torturm, Stadtseite
Tatsache ist jedenfalls, dass von dem Hühnerdorfer Tor in Tangermünde "nur noch der 24 Meter hohe Wehrturm erhalten (ist), im Volksmund Eulenturm genannt. Sein quadratischer unterer Teil gehört zu einer älteren Anlage und wird um 1300 entstanden sein. Auf der Feldseite wird er durch fünf schlanke, in Spitzbogen endende Putzblenden gegliedert. Auf der Stadtseite ist eine große, heute zugemauerte Spitzbogenöffnung zu erkennen, die von zwei Blenden flankiert wird. Um 1460/70 erfolgte dann durch Abschrägung der Ecken die Weiterführung des Turmes in achteckiger Form. Die Seiten werden durch Maßwerkblenden belebt. In der Höhe des obersten Stockwerkes, der ehemaligen Wächterstube, befinden sich vier auf Konsolen vorkragende Erker. Die Plattform ist von einem Zinnenkranz umgeben. Im Erdgeschoss enthält auch dieser Turm ein Verlies, das ursprünglich nur durch eine Öffnung im Boden des darüberliegenden Stockwerkes zu erreichen war. Der heutige Zugang von außen auf der Ostseite ist neueren Datums."

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Bogenansatz am Turm und "Riegelhaus" in der Langen Straße

"Auf der Südseite des Turmes ist der Ansatz des profilierten Bogens des ehemaligen Innentores noch zu erkennen. Über diesen führte ein Wehrgang hinweg, von dem man durch eine noch vorhandene Öffnung in den Turm gelangen konnte. Das Vortor hat einmal auf der Feldseite gestanden, weiter vorgerückt in Richtung Schlossfreiheit. Zwischen beiden Toren, die durch Zwingermauern verbunden waren, befand sich eine Brücke, die über den heute zugeschütteten Stadtgraben führte.
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Hühnerdorfer Torturm
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Hühnerdorfer Torturm
1871 wurde das Vortor abgebrochen und bald darauf auch die an den Turm anschließenden Teile der Stadtmauer, so dass der Turm jetzt frei steht. Das Innentor stand 1871 schon nicht mehr.

Auf der Nordseite des Turmes ist die einstige Verbindungsstelle mit der Stadtmauer zu sehen, die auch noch in der Giebelwand des Hauses Hühnerdorfer Straße Nr. 106 steckt. An dem größeren Format der Backsteine ist sie deutlich zu erkennen.

Die Häuser Lange Straße Nr. 36 und 37 springen in die Straße vor. Es sind zwei von ehemals drei sogenannten Riegelhäusern, die bei der Verteidigung des Tores als Schulterwehren dienen konnten."

Vom Hühnerdorfer Tor sind es nur noch wenige Schritte, bis wir unseren Ausgangspunkt wieder erreichen. Damit wäre der Rundgang um die Altstadt beendet. Aber es gibt noch viel mehr zu entdecken... Fahren Sie doch einfach mal hin!
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Text (kursiv) zitiert aus:
Joachim-Albrecht Kohlmann: Tangermünde, Ein Besuch in der alten Elbestadt, Veröffentlichungen des Altmärkischen Museums Stendal, 3. überarb. Auflage, 1972
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Die Sanierung der Stadtmauer geht weiter! Der Gründungsverein der Stadtstiftung Tangermünde e. V. engagiert sich mit der Spendenaktion "Stiftersteine" für die Schließung noch vorhandener Lücken in der Stadtmauer. Nähere Informationen finden Sie auf der Webseite des Vereins: ->Stadtstiftung Tangermünde.

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