Mauern, Tore und Türme in Sachsen-Anhalt:

Die Stadtbefestigung von Staßfurt


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Staßfurt, Stadtmitte
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Wehrturm in Staßfurt
Bereits 806 fand Staßfurt schriftliche Erwähnung, als Karl der Große in dieser Gegend mit seinem Heer lagerte. Der Name des Ortes leitet sich wahrscheinlich aus der Bezeichnung "Alte Furt" (Starasfurt) her, denn hier führte ein Handelsweg seit alters über die Bode. Im 11. Jahrhundert wurde eine Burg errichtet und bereits 1180 wurde der aufstrebenden Siedlung das Markt- und Stadtrecht verliehen. Die Geschichte der Stadt Staßfurt ist seit dem frühen Mittelalter untrennbar mit der Salzgewinnung*) verbunden, so dass die Burg möglicherweise nicht nur die Furt sondern auch die Saline schützte.
*) siehe unten.
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Wehrturm in Staßfurt
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Wehrturm in Staßfurt
Die ersten Befestigungsanlagen der Stadt haben sicherlich wie auch anderswo aus Wällen und hölzernen Palisaden bestanden. Die steinernen Wehrbauten wurden erst im 15. Jahrhunderts errichtet. Der Baubeginn des ersten Wehrturms wird auf 1420/1430 angesetzt - als etwas später (1469) dann mit dem Bau der St.-Johanniskirche begonnen wurde, bezog man diesen Turm einfach in den Kirchenbau ein. 1450 enstand mit dem "Eulenturm" an der inneren Stadtmauer ein weiterer Wehrturm. Auch die drei Stadttore (Wassertor, Magdeburger Tor und Aschersleber Tor) waren mit Türmen versehen. Potentielle Angreifer hatten es in Staßfurt nicht leicht: Die Stadt war (außer im Norden) von einem doppelten Mauerring mit Türmen und Rondellen umgeben, im Norden erschwerten die Bode und im Süden Sumpfgebiete zusätzlich die Annäherung, im (Nord-)westen befand sich außerdem die Burg.


Auf der Ansicht Merians (Topographia Saxoniae Inferioris, 1653, Quelle: Wikisource) schaut man leicht von Nord(ost) über die Bode auf die Stadt mit Wassertor und Johanniskirche, rechts erkennt man die Saline und das separate Schloss. Die Stadtmauer und verschiedene Türme im Hintergrund (Südost) sind ebenfalls gut zu erkennen.
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Wehrturm in Staßfurt
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Stadtplan Staßfurt
OpenStreetMap, bearbeitet
Leider blieben von der Stadtmauer, von ihren Toren und den Wehrtürmen lediglich die Abschnitte im Südbereich erhalten. Von den anderen Befestigungen erzählen nur noch die Straßennamen: Wassertorstraße, Neue Zwingerstraße, Alte Zwingerstraße oder Turmgasse. Immerhin befinden sich im Süden neben den Zwingermauern noch drei Wehrtürme und vor allem das sehr eindrucksvolle Rondell an der Südostecke (Gollnowstraße) der Stadtbefestigung.

Wehrtürme, Zwingermauern und Rondell in Staßfurt
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Die rechteckigen Mauertürme sind für die Region typisch (vergl. Aschersleben oder Kroppenstedt). Das aus dem 16. Jahrhundert stammende Rondell an der Südostecke ist eingewölbt (mit Mittelpfeiler), die Plattformen eigneten sich für die Aufstellung von Kanonen.
  

Wehrtürme und Rondell in Staßfurt
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Staßfurt - Wiege des Kalibergbaus

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Wiege des Kalibergbaus
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In Staßfurt begann mit der Einweihung von zwei Schächten 1852 der weltweit erste Abbau von Kalisalz. Daran erinnern heute das Kalibergarbeiterdenkmal, die Hunte und die Markierung der alten Schächte im "Kaligarten". Doch der Bergbau hatte Folgen, 50 Jahre später wurden die Probleme und Schäden offensichtlich.

Im "Kaligarten"
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Aufheben der Mitte

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Im Stadtzentrum
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Stadtsee im Stadtzentrum
Im Stadtgebiet mussten bis heute infolge der auftretenden Senkungen hunderte von Gebäuden abgerissen werden. Das mittelalterliche Stadtzentrum ist völlig verschwunden, anstelle von Marktplatz, Johanniskirche und  Rathaus erstrecken sich jetzt hier eine Wiese und der Stadtsee... Der Johanniskirchturm verschwand 1964/65, er war über 4.50 Meter aus dem Lot geraten. Auch der Eulenturm wurde bis auf die Grundmauern aufgegeben, 1971 war er verschwunden. Die Reste der Burg wurden schon 1890 beseitigt.

Drei Informationstafeln klären über das besondere Schicksal der Stadt und über die Anstrengungen, eine Lösung zu finden, auf:

Informationstafeln: Aufheben der Mitte - Stadtumbau 2010Bild "Stassfurt3_09.jpg"
Infotafel in Staßfurt
Geschichte
Staßfurt, am Südrand der Magdeburger Börde gelegen, gilt als "Wiege des Kalibergbaus". Die ergiebigen Kaliflöze lagen direkt unter der Stadt an der Bode und machten sie reich und wohlhabend.
Ihre Geschichte reicht zurück in die Zeit Karls des Großen, dessen Heer 806 am Flussufer der Bode gelagert haben soll. Die erste ukundliche Erwähnung als "Starasfurt" macht die Stadt zu einer der ältesten in Sachsen-Anhalt. Den Handelsreisenden damaliger Zeit bot Staßfurt nicht nur einen komfortablen Flussübergang. Mit einer Wehranlage, die man sich ab dem 11. Jahrhundert baute, schützte sie zugleich vor Feinden. Bereits 1180 erhielt dieser Siedlungsbereich das Stadtrecht.
Salz, das "weiße Gold", war stets Quelle guten Auskommens. Natürlich zutage tretende Salzstellen beiderseits der Bode hatten Staßfurt schon früh zu einer Salzstadt mit überregionaler Bedeutung werden lassen.
Mit der mehr zufälligen Entdeckung des Kalisalzes beim Abtäufen der Schächte für ein Steinsalzbergwerk 1839 und der Einweihung der weltweit ersten Kalischächte 1852 setzte eine rasante wirtschaftliche Entwicklung der Stadt ein. Eine regelrechte Gründungswelle von Betrieben der chemischen Industrie folgte. In ihrer Blütezeit 1872 gab es in Staßfurt 33 Fabriken.
Doch so wie das Salz der Stadt Reichtum und Ansehen gebracht hatte, war es nun Ursache für eine städtebauliche Katastrophe, als die Grubenbaue "wild ersoffen". Die Wassereinbrüche waren so massiv, dass 1901 beide Schächte aufgegeben werden mussten. Und: Auf einem Gebiet von rund 200 Hektar senkte sich der Boden diagonal durchs Stadtzentrum um über sieben Meter ab. Das Marktensemble, das Rathaus, die Stadtkirche - mehrere hundert Gebäude mussten daraufhin im Laufe der nächsten Jahrzehnte abgerissen werden. Staßfurt verlor die historische Mitte seiner Stadt, die zu einer Brache verkam.

Intervention
Die städtebauliche Perspektive der Salz- und Bodestadt Staßfurt stand im Mittelpunkt der Aufgabe, der man sich im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 seit 2003 stellte. Das Motto "Aufheben der Mitte" thematisierte dabei einerseits den Verlust der Stadtmitte als Bergbaufolge und ein "Aufheben" im Sinne von "Anheben". Andererseits wollte man die Erinnerung an Vergangenes bewahren, den Faden der Geschichte aufnehmen und der Stadt eine Zukunftsvision geben.
Untersuchungen, die eine interministrielle Arbeitsgruppe aus Landesregierung und Bergverwaltung sowie Experten unterschiedlicher Fachdisziplinen beginnend in den 1990er-Jahren gemeinsam mit der Stadt durchgeführt hatten, untermauerten die Erkenntnis: Die Stadt würde vor weiteren Bergbauschäden nur bewahrt werden können, wenn man eine gesteuerte Vernässung des tiefsten Punktes des Senkungsgebietes zuließ. Gleichzeitig musste Sicherheit darüber gefunden werden, welche Areale in Zukunft als Bauland wieder zur Verfügung stehen.
Ideen und Vorschläge für die zukünftige Gestaltung der Mitte Staßfurts wurden in einer einwöchigen interdisziplinären IBA-Planungswerkstatt gesucht, die unter aktiver Mitgestaltung durch die Staßfurter Bürgerinnen und Bürger im Februar 2004 stattfand. 36 Architekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner arbeiteten in zwölf Teams an der Lösung dieser Aufgabe, eine Expertengruppe namhafter Fachleute ergänzte den Workshop mit einem Blick von außen.
Eine vielfältig gestaltete Landschaft mit einem See statt des versunkenen historischen Zentrums - die neue Mitte Staßfurt - wurde am Ende der Planungswerkstatt als Lösung für jenen Bereich favorisiert, in dem keine Bebauung mehr möglich sein würde, und die Umsetzung begonnen. Zugleich wurden jene Bereiche definiert, wo wieder Gebäude erricht werden können und Zukunftsgestaltung sicher ist.

Neue Mitte Staßfurt
Ein neues Wasserhaltungssystem für die Altstadt Staßfurts war die Voraussetzung für das, was im Rahmen der IBA Stadtumbau 2010 als "Mitte Staßfurt" entstand. Sichtbarstes Zeichen dieser ingenieurtechnischen Leistung ist heute der See am tiefsten Punkt des Senkungstrichters. Um ihn herum entstand ein Landschaftspark mit einer Reihe von Elementen, die Erinnerung an Vergangenes im Stadtgedächtnis bewahren und gleichzeitig den Raum qualitätvoll gestalten.
So säumen den See weite Wiesen und Wege mit einer Vielzahl von Bänken und Sitzstufen zum Verweilen, Schauen und Ausruhen. Auf einer der grünen Flächen wurden, der Idee der Landschaftsarchitekten folgend, Kirschbäume gepflanzt. Sie sind insbesondere zur Baumblüte im Frühjahr magischer Anziehungspunkt der Spaziergänger, die rund um den See unterwegs sind.
Der infolge des Bergbauschadens ebenfalls abgerissenen Stadtkirche St. Johannis wird auf dem authentischen Kirchengrundstück mit einem "Heiligen Rasen" gedacht. Dort, wo sich noch heute die Fundamente und der Keller der Kirche befinden, hat man die Grundmauern des Gotteshauses mit rostigem Kortenstahl nachgezogen und darin Rasensaat ausgebracht. Die Schräglage erinnert symbolisch an das Szenario des Versinkens des Gebäudes. Die einst dicht bebauten Straßen und Plätze wurden neu gepflastert und so der frühere Stadtgrundriss nachgezeichnet.
Eine Bitumenfläche mit einem hellen, stilisierten Betonring markiert zum Beispiel heute den Großen Markt mit dem früheren Brunnen. An historischer Stelle, wo 1852 die weltweit ersten Kalischächte eingeweiht wurden, entstand ein kleiner Park als Ort der Traditionspflege mit zwei eingefassten Becken auf den originalen Schachteingängen. Im "Kaligarten" ist der Besucher der Bergbau-, Stadt- und Stadtumbaugeschichte der Stadt Staßfurt besonders nah.

Textquelle: Infotafeln am Stadtsee



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An die ehemalige Johanniskirche erinnert ein Modell aus Kortenstahl und das Kirchengrundstück mit dem "Heiligen Rasen". Auch hier klärt eine Informationstafel über das Schicksal der Kirche auf:

Kirche St. Johannis - 1964 Abriss wegen Absenkung
Am 25. Mai 1469 war Baubeginn für dieses Bauwerk. Der Grundriss der Kirche war quadratisch, starke Mauern mit kräftigen Außenpfeilern, nur durchbrochen von langen Fenstern, begrenzten das dreischiffige Langhaus und den gegenüber dem Turm befindlichen Altarraum. Geheime unterirdische Gänge gingen zur St. Johanniskirche, der letzte gemauerte Gang wurde 1986 bei der Gestaltung des Wendelitz entdeckt. Der Kirchturm gehörte nie der Kirche, sondern immer nur der Stadt Staßfurt und wurde darum im Mittelalter auch zu Verteidigungszwecken als Wehr- und Wachturm genutzt. 1906 wurde der letzte Gottesdienst in der Johanniskirche durchgeführt. Im Jahre 1915 hatte der Turm eine Schiefstellung von ca. 1,65 m, gemessen unter dem oberen Hauptgesims, erreicht. Zu dieser Zeit befasste man sich mit der Möglichkeit, das Bauwerk wieder zu richten. Leider machte der Beginn des ersten Weltkrieges den Plan zunichte. Von nun an nannte man ihn "Schiefer Turm", weil er sich nach Norden neigte. Stolz zeigten früher die alten Staßfurter den Besuchern der Stadt ihren "Schiefen Turm", das Wahrzeichen Staßfurts. Am 27. Mai 1948 brannte, durch die leichtsinnige Handlungsweise einiger Kinder, die gesamte Kirche vollständig aus. Die Mauerreste mussten aus Sicherheitsgründen gegenüber der Bevölkerung aberissen werden. Die Schiefstellung des Turmes betrug im Jahr 1964 2,90 m, wiederum gemessen an dem obersten Hauptgesims, bzw. 4,40 m gemessen an der obersten Spitze. Der "Schiefe Turm" wurde im November 1964 eingerüstet und im Januar 1965 abgetragen. (U. Lippert)
Das Modell wurde gesponsort durch den Rotary Club Staßfurt, im Rahmen der Feierlichkeiten zum 20-jährigen Bestehen (1991-2011)

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"Aufheben der Mitte"

Einen Vergleich des heutigen Zustandes mit früheren Ansichten zeigt die Webseite www.stassfurt-gestern-und-heute.de z.B. hier:
--> drei Türme
--> Alter Markt
Es stimmt jedenfalls sehr nachdenklich, wenn man in Staßfurts "aufgehobener Mitte" auf dem Großen Markt steht.


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nach Tangermünde - Teil 1