Exkurse zur Architektur: Innenräume barocker Kirchen

In Polen:

Die ehemalige Benediktinerkirche in Legnieckie Pole - Wahlstatt

Vor der Kirche befindet sich eine Tafel, auf der folgendes zur Geschichte der Kirche zu lesen ist:

Heilige Hedwig von Schlesien

Wallfahrtskirche

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Wallfahrtskirche
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"Schon im Mittelalter wurde in Wahlstatt die Dreifaltigkeits- und Marienkirche errichtet, die nach alten Überlieferungen an der Stelle der von der heiligen Hedwig von Schlesien, Mutter Heinrichs II. (des Frommen) gestifteten Kapelle stand, an der Stelle, wo der Leichnam Heinrichs II. nach der Schlacht gegen die Mongolen 1241 gefunden worden war. Bis zur Reformationszeit diente die Kirche den Benediktinern, und seit dem 16. Jahrhundert wurde hier eine Propstei errichtet. Anfang des 18. Jhs. kamen die Benediktiner nach Wahlstatt zurück. Auf Initiative des damaligen Abtes Othmar Zinke begann 1723 der Bau des Klosters, und nach dem Jahr 1727 wurde eine neue Kirche - Kreuzerhöhungs- und Hl.-Hedwig-von-Schlesien-Kirche erbaut. Die ganze Kloster- und Kirchenanlage wurde nach dem Entwurf vom damaligen berühmten Architekten Kilian Ignaz Dientzenhofer aus Prag realisiert. Die Weihe der Kirche erfolgte am 7.10.1731 durch den Breslauer Weihbischof Elisas von Sommerfeld. (...)"

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Schon von Weitem kann man die zwei Türme der Kirche sehen. Dientzenhofer hat die Kirche in die Mitte der Fassade der ehemaligen Benediktinerabtei etwas zurückgesetzt eingefügt. So erreicht er in der langen Front des Klosters mit den an dieser Stelle abwechselnd konkav und konvex geschwungenen Bögen ein äußerst dynamisches Bild, das durch die reiche Gliederung und den skulpturalen Schmuck der Kirchenfassade noch weiter verstärkt wird. Gehen wir hinein!

Wallfahrtskirche Legnieckie Pole (Wahlstadt)
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Der Innenraum überwältigt: er ist eine Synthese von Lang- und Zentralraum mit elliptischen Jochen, gekurvten Wänden und einer komplizierten Wölbstruktur - ein wahrhaft barockes Gesamtkunstwerk! Von den mit Säulen umgebenen Wandpfeilern spannen sich geschwungene Gurtbögen, die die elliptischen und mit großartigen Fresken versehenen Gewölbeflächen einrahmen.
Die Fresken schuf der berühmte Münchner Maler Cosmas Damian Asam im Jahr 1733. Sie zeigen im Hauptfeld die Auffindung des Kreuzes durch die Kaiserin Helena, weiter in östlicher Richtung wird der hl. Benedikt und sein Orden und über dem Altar die Verehrung der Muttergottes dargestellt. Das erste Fresko (über der Orgelempore) jedoch erzählt die Geschichte von der Auffindung des toten Heinrich nach der Mongolenschlacht. Worum geht es?

I. Das Fresko über der Orgelempore: Die Auffindung des Herzogs Heinrich

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Im 13. Jahrhundert waren mongolische Truppen weit nach Westen vorgedrungen. In aller Eile sammelte Herzog Heinrich II. von Schlesien polnische, schlesische, böhmische und deutsche Ritter um sich. Bei Liegnitz kam es 1241 auf der Wahlstatt zur Schlacht, das Heer von Heinrich wurde vernichtend geschlagen, der Herzog kam ums Leben. Die Mongolen enthaupteten Heinrich und spießten seinen Kopf als Trophäe auf eine Lanze.
Der Kampf soll mit aller Härte und Grausamkeit geführt worden sein. Die Überlieferung berichtet, dass die Mongolen eiserne Drachenköpfe geschwenkt haben sollen, von denen Feuer und giftige Dämpfe ausgegangen seien, so dass die Ritter reihenweise in Ohnmacht fielen.
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Sechs Zehen am rechten Fuß!
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Die Auffindung des Herzogs
Der kopflose Leichnam des Herzogs wurde gefunden. Herzogin Anna, seine Frau, konnte ihren Mann an einer Besonderheit identifizieren - er hatte am rechten Fuß sechs Zehen. Heinrichs Mutter, die heilige Hedwig, war ebenfalls vor Ort, sie stiftete an der Stelle der Auffindung eine Kapelle. Da waren denn die geistlichen Brüder auch schnell mit von der Partie. Cosmas Damian Asam hat in seinem Fresko die Geschichte dramatisch in Szene gesetzt. Die Mongolen nutzten ihren Sieg übrigens nicht aus, ihre Heerführer ließen auf die Nachricht hin vom Tod ihres Großkhans Ogodai umkehren, um bei der Nachfolgeregelung in der Mongolei anwesend zu sein. Das Abendland war wieder einmal gerettet...  ;-)

II. Das Hauptdeckenfresko: Die Auffindung des heiligen Kreuzes


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Das mittlere Fresko stellt ein beliebtes Thema der barocken Deckenmalerei dar: Die Auffindung des heiligen Kreuzes. Helena, die Mutter des römischen Kaisers Konstantin, lässt in Jerusalem graben und findet dort drei Kreuze. Nur eines kann das wahre Kreuz sein, jenes, an dem Jesus den Kreuzestod gestorben ist. Dieses wird herausgefunden durch seine Wundertätigkeit, es soll der Legende nach Kranke heilen (und Tote wieder zum Leben erwecken) können. Bischof Ambrosius von Mailand hingegen berichtete, dass das Kreuz anhand der beigegebenen Inschrift zugeordnet werden konnte. All dies lässt sich im Deckenfresko wiederfinden, mit dem uns Cosmas Damian Asam bei der Kreuzauffindung vor der Grabeskirche in Jerusalem teilhaben lässt.

Die Auffindung des Kreuzes, Details
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Tugenden
Der christliche Glaube verbreitet sich nun auf der ganzen Welt, das Kreuz wird überall und von allen Völkern verehrt. Geschenke werden dargebracht und es triumphieren die christlichen Tugenden (Liebe - mit Herz, Glaube - mit Kelch, Hoffnung - mit Palmzweig und Anker). Jetzt verschwinden die bösen Schlangen, der Himmel öffnet sich, Christus und das Christusmonogramm IHS (griech. IHSOYS-Jesus) erscheinen und Gnadenwolken strömen auf die Welt.

Die Auffindung des Kreuzes, Details
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Die falschen Götzenbilder werden gestürzt und mit Hammer und Keule zerstört. (Hier auf dem Fresko muss die Liebesgöttin Venus mit dem kleinen Amor dran glauben). Interessant ist die Szene mit dem Ritter des Deutschen Ordens (?) vor dem Baum. Mit energischem Blick hat er gerade ein heidnisches Weihrauchgefäß mit dem Fuß umgeworfen, fest hält er das Schwert in der rechten Hand.
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Ein anderer (im roten Mantel) zeigt uns ein geflammtes Schwert. Von unten kriechen schon wieder Schlangen hoch, die bekämpft werden.
Ganz rechts oben ist neben einem Boot die Fahne des Malteserordens (rot mit weißem Kreuz) zu sehen, verweist der Maler hier etwa auf die Türkenabwehr bei der Seeschlacht von Lepanto?

Auffindung des Kreuzes - Verbreitung des Christentums, Details
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III. Das Fresko "Verklärung des heiligen Benedikt und der Benediktinerorden"


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Cosmas Damian Asam stellt über dem Presbyterium den heiligen Benedikt ins Zentrum seines Freskos, wie dieser von der Gnadensonne beschienen wird und wie ihn die Tropfen der göttlichen Eingebung erreichen. Darüber hinaus ist es auch die Darstellung des Benediktinerordens selbst, so wie er sich in seiner Tradition sieht: Denn alle sind versammelt - Kaiser und Könige, Ordensritter und Gefolgsleute und natürlich die Kirchenväter, die Heiligen und die Lehrer des Benediktinerordens. Auf einer Tafel, die im Vordergrund von einem Engel präsentiert wird, sind beeindruckende Anzahlen von Mitgliedern, Unterstützern und Gönnern des Ordens aufgelistet.
Die Regel des hl. Benedikt ist die älteste und bedeutendste Regel, nach dem das Leben im Kloster organisiert wurde. Benediktinermönche spielten eine entscheidende Rolle bei der Christianisierung des Abendlandes.

Der hl. Benedikt und die Benediktiner
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IV. "Die Erhöhung der Heiligen Jungfrau Maria" und weitere Fresken


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Das zweite Deckenfresko im Presbyterium stellt die Erhöhung der heiligen Jungfrau Maria dar. Die kleineren Fresken in den seitlichen Gewölbefeldern zeigen Christus am Kreuz, den hl. Benedikt vor dem Kloster Monte Cassino, der seine Schüler Maurus und Placidus auf Missionsreise nach Gallien schickt; wir sehen die Gründung der Benediktinerabtei in Brzewnów und wie Abt Othmar stolz die neue Kirche in Legnice vorstellt.

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Altäre und Skulpturen


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Hauptaltarbild
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Das Bild des Hauptaltars schuf der flämische Maler Franz de Becker. Es stellt wie schon das 1. Deckenfresko die Auffindung des toten Herzogs Heinrich von Schlesien nach der Mongolenschlacht dar. Der kopflose Leichnam im Vordergrund des Bildes wird von zwei gewappneten Rittern halb angehoben, seine Frau Anna hat ihn anhand der Zehen identifiziert. Dahinter steht die heilige Hedwig, die Mutter des toten Herzogs. Sie ist im Bild die Hauptperson. In der rechten Hand hält sie eine kleine Marienfigur, man reicht ihr das Schwert des toten Sohnes. Hedwig gilt als Schutzpatronin Schlesiens.
Die Bilder der Seitenaltäre stammen von dem Prager Maler Wenzel Lorenz. Die 16 Skulpturen von Heiligen und Kirchenvertretern im Innenraum schuf der Prager Bildhauer Joseph Hiernle.

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Quellen und Literatur:
Informationstafeln in der Kirche
Tomasz Torbus, Polen - Reisen zwischen Ostseeküste und Karpaten, Oder und Bug, DuMont Kunstreiseführer, Ostfildern 2011

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zu Mauern, Toren und Türmen