Exkurse zur Architektur: Innenräume barocker Kirchen

In Sachsen-Anhalt:

Die Klosterkirche in Egeln

Reformation, 30jähriger Krieg, Bildersturm, Raub, Plünderung und Ausverkauf, haben der Kunstlandschaft Sachsen-Anhalt immer wieder zugesetzt. Doch man kann ganz unerwartet überrascht werden:
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Das Innere der Klosterkirche in Egeln (Sachsen-Anhalt) ist eine solche Überraschung, denn hier hat sich die barocke Innenausstattung des ehemaligen Nonnenklosters Marienstuhl erhalten. Die Kirche wurde von 1732 bis 1734 neu gebaut. Das Gebäude ist eine Saalkirche mit dreiseitigem Ostschluss, dessen Außenwände durch Pilaster gegliedert werden. Im Innern des rechteckigen Saales (ca. 8,70 m x 31 m) tragen die Pilaster das Kreuzrippengewölbe, zwischen ihnen befinden sich die großen Rundbogenfenster. Den westlichen Innenbereich der Kirche nimmt die Nonnenempore ein. Sie befindet sich über einem zweischiffigen Raum mit Kreuzgratgewölbe und Mittelstützen. Von der Empore aus hat man einen phantastischen Blick in das Kirchenschiff zum Altar. Die barocke Ausstattung mit ihren Farben blau, braun, weiß und gold steht dabei in wirkungsvollem Kontrast zum schlichten Kirchensaal.

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Der prunkvolle Hauptaltar aus dem Jahr 1737 nimmt die gesamte Chorbreite und -höhe ein. Über einem hohen und reichverzierten Sockel erheben sich marmorierte Säulen mit vergoldeten Kompositkapitellen, in den Nischen zwischen den Säulen stehen lebensgroße Schnitzfiguren: Andreas, die Ordensgründer Benedikt und Bernhard sowie Mauritius (v.l.n.r.). Das Altargemälde in der Mitte stellt die Himmelfahrt Mariens dar. Auf dem Gesims darüber halten kleine sitzende Engel schon Krone und Zepter für sie bereit. Sie flankieren ein Spruchband mit dem Hinweis auf die Abtissin Anna Margaretha Müller (ihr Wappen befindet sich über dem Spruchband) unter deren Ägide der Altar fertiggestellt wurde. Im Himmel oben angekommen thront Maria (jetzt mit Zepter und Krone) als Himmelskönigin unter einer Muschel auf ihrem Stuhl (das Kloster trägt den Nahmen "Marienstuhl"), das Jesuskind hält sie auf dem Arm. Maria ist nicht allein, neben großen und kleinen Engeln wird sie von der hl. Margarethe und der hl. Katharina begleitet.

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Die Seitenaltäre sind ähnlich gestaltet wie der Hauptaltar: marmorierte Säulen und Heiligenfiguren flankieren jeweils das Altarbild. Auf der linken Seite Joseph mit dem Jesusknaben und Joachim mit dem Kinde, im Altarbild die hl. Familie Maria, Joseph und Jesus; auf der rechten Seite die Figuren des Nepomuk und des Franziskus, im Altarbild die Szene aus dem Garten Gethsemane.

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Marienaltar
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Kanzel
Die hölzerne Kanzel enstand zur gleichen Zeit wie die Altäre, auch sie ist von hervorragende Qualität. Am Kanzelkorb werden zwischen Bandwerkornamenten die vier Evangelisten dargestellt, den aufwändig gestalteten Schalldeckel bekrönt die Figur der Immaculata (Beiname Marias: die Unbefleckte, die Reine).
Auf der Nonnenempore schließlich steht der Marienaltar: Maria sitzt mit dem Jesusknaben (dieser diesmal auf dem rechten Arm) in einem prachtvollen barocken Rahmen - wie auf einer Bühne. Die qualitätvolle Sitzfigur selbst stammt aus dem 15. Jahrhundert.

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Brüstung und Gestühl der Nonnenempore sind ebenfalls mit barocker Bandwerkschnitzerei versehen. Im dem kleinen anschließenden Museum werden weitere Kostbarkeiten des ehemaligen Klosters verwahrt.

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Wir bleiben noch in der Magdeburger Börde, denn wiederum erwartet uns etwas Besonderes:

Die Klosterkirche in Hadmersleben

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Bischof Bernhard von Halberstadt gründete im Jahr 961 in Hathumareslev das Benediktinerinnenkloster Petrus und Stephanus. Das Kloster wurde zwar 1809/10 aufgehoben und das Klostergut privatisiert, doch die Kirche blieb im Besitz der katholischen Gemeinde. Seit 961 wird an dieser Stelle (bis auf drei Jahre schwedischer Herrschaft) ununterbrochen der katholische Gottesdienst gefeiert! Von 1679 bis 1717 fand eine umfassende Erneuerung im Barockstil statt, von der wir uns im Innern der Kirche begeistern lassen und ein Bild machen können.

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Die Baugeschichte des Klosters und der Kirche enthält alle Epochen der Kunstgeschichte von der ottonischen Zeit bis zur Moderne. Beim Bau der "neuen" romanischen Saalkirche (1160/70) wurden Teile des Vorgängerbaus als Unterkirche für die Nonnenempore weiterverwendet. Die romanische Saalkirche wurde später gotisiert, nach Osten erweitert und wie erwähnt um 1700 barockisiert. Am Außenbau kann man die verschiedenen Bauphasen ablesen, doch wir schauen jetzt ins Innere:

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Kreuzabnahme

Der Hochaltar

In drei Etagen nimmt der barocke Hochaltar Breite und Höhe des Chores ein. Sein dunkler - fast schwarzer - Holzton verstärkt im Zusammenklang mit den hellen Figuren und den gewundenen Säulen die überaus prachtvolle und edle Wirkung zusätzlich. Thema des Altars ist der Triumph über den Tod: Die Altarbilder zeigen unten die Kreuzigung, darüber die Kreuzabname. Auf dem obersten Gesims lagern noch die schlafenden Wächter, doch einer von ihnen ist erwacht und sieht über sich auf dem Scheitel des Altars den auferstandenen und segnenden Christus.

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So ziemlich einmalig in der Kunstgeschichte dürfte es sein, dass die lebensgroßen Freifiguren des Altars von einer Frau geschaffen wurden - ihr Name ist bekannt: Gertrud Gröninger (um 1650-1722) war eine Bildhauerin aus Paderborn und schnitzte die Figuren zwischen 1695 und 1698.

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Maria Himmelskönigin
Petrus
Paulus
Franziskus?

Insgesamt 13 große Figuren schmücken den Altar, darunter Maria und weitere sieben Heilige, zwei Engel, zwei (schlafende) Wächter und der über allen triumphierende Christus. Er steht auf der Weltkugel, die Schlange mit den Füßen niederhaltend und die rechte Hand zum Segensgruß erhoben.

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Stephanus
Christus
Mauritius

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Die mittelalterlichen Fenster

Einen besonderen Schatz stellen auch die letzten noch vorhandenen mittelalterlichen Glasmalereien dar. Sie stammen aus den großen Maßwerkfenstern um 1320 und sind die ältesten derartigen erhaltenen Beispiele in der Bördegegend. Die bunten Glasscheiben zeigen u. a. Szenen aus dem Leben Christi, die Enthauptung Johannes d. T. und alttestamentliche Propheten.

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Die Nonnenempore

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Erzengel Michael
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Blick von der Empore
Ähnlich wie in der Klosterkirche Egeln nimmt die Nonnenempore in Hadmersleben einen großen Teil des Kirchenschiffes ein. Von der Empore hat man einen schönen Blick in den längsrechteckigen Kirchensaal. Und vergleichbar mit den Schnitzereien am Altar oder der barocken Kanzel finden wir die Vorderseiten des Gestühls mit gedrehten Säulen versehen. Um die Säulen winden sich die Blumenbuketts in 32 (!) verschiedenen Varianten. Ob sie eine Huldigung an die damalige Äbtissin Anna Margaretha Blume darstellen (Walter Merfert /2/)? Vielfalt und Realismus jedenfalls sind bemerkenswert! An den Rückseiten des Gestühls befinden sich gemalte Szenen aus dem Leben des hl. Benedikt.

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Unter der Nonnenempore befindet sich die "Unterkirche", deren älteste bauliche Reste noch aus der Gründungszeit stammen könnten. Eine kleine Treppe führt hinab.

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...und tschüss!


Doch das ist eine andere spannende Geschichte - für heute verabschieden wir uns...
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...und fahren weiter nach Süddeutschland:
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zur Benediktiner-Abteikirche Ottobeuren

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Quellen und Literatur:
/1/ Dehio, Handbuch der dt. Kunstdenkmäler, Bezirk Magdeburg, Akademie-Verlag Berlin 1974
/2/ W. Merfert, Beiträge zur Kulturgeschichte der Magdeburger Börde und ihrer Randgebiete, Bd. 1: An Elbe und Saale, zwischen Hakel und Heide, dr. ziethen verlag Oschersleben, 1999