Romanische Portale und Kapitelle in Süditalien (Apulien)


San Leonardo di Siponto

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In vergangenen Zeiten lagen entlang der alten Pilgerstraße zum Monte Gargano Klöster, Herbergen und Hospize, um dem Ansturm der frommen Pilger zum Heiligtum des Erzengels Michael gerecht zu werden. Von diesen Bauwerken hat sich die Kirche San Leonardo erhalten, sie liegt heute isoliert an der Straße südlich von Manfredonia, nachdem die durch Erdbeben und Menschenhand mehrmals zerstörte Stadt Siponto schon im Mittelalter nicht wieder aufgebaut wurde.
Das Aussehen der Kirche geht auf das 12. Jahrhundert zurück, 1116 wurde die Abtei erstmalig erwähnt, im 13. und 14. Jahrhundert erfolgten Umgestaltungen.

Das Portal der Nordfassade

Die Pilger kamen auf ihrem Weg an der Nordseite der Kirche vorbei. Hier erblickten sie von der Straße das vom Ende des 12.Jahrhunderts stammende und besonders prächtig ausgestaltete Portal der "Schauseite".

San Leonardo di Siponto, Portal an der Nordseite
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Dem dreifach gestuften eigentlichen Portal ist ein von Säulen getragener Baldachin vorgelagert. Die Säulen erheben sich auf den Rücken zweier Löwenfiguren, die rechte Löwenfigur hält ein menschliches Wesen im Maul fest. Auf den Kapitellen der Säulen sitzen zwei sich anblickende Greife.

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Das Figurenprogramm des Portals verknüpft programmatisch die Themen Reise und Erlösung miteinander (Stefania Mola).

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Im Tympanon erscheint der segnende Christus in der Majestas-Domini Darstellung. Die Mandorla wird von zwei Engeln gehalten, im Bogen sind die vier Symbole (Stier, Engel, Adler und Löwe) der Evangelisten außen erkennbar. Darüber folgen "in Gegenüberstellung zur Symbolisierung des Guten und Bösen, ein Zentaur, der ein Saiteninstrument zupft, eine Hirschkuh, ein dämonischer Zentaur, der in ein Horn bläst und ein Drache." (1) Statt der sonst an den großen Weltgerichtsportalen häufig zu sehenden Reihe von Auserwählten und Verdammten wird hier eine im Rankenwerk fantasievoll dargestellte Tier- und Fabelwesensymbolik für Gut und Böse verwendet.

Gut und Böse
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Symbole der Evangelisten
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Erzengel Michael
Dem Muster des großen Erlösungswerks mit dem Weltende und dem Jüngsten Gericht entsprechen auch die beiden meisterhaften Kapitelle links und rechts des Portals:
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Kapitell
Links reitet der Prophet Bileam auf seiner Eselin, die plötzlich stehenbleibt. Der Erzengel Michael hatte sich (mit seinem Schwert) in den Weg gestellt um den Bileam von seinem verwerflichen Vorhaben abzubringen. Das gelingt auch, Bileam wandelt sich. Erzengel Michael taucht dann auch gleich noch ein zweites Mal auf der Innenseite des Kapitells auf. Diese zeigt, wie im siegreichen Endkampf der Drache, die böse Schlange, der Teufel, endgültig von ihm vernichtet werden wird.

Michael mit Bileam und Eselin, Michael mit Drache
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Und: Bileam hatte einen Stern vorhergesehen und laut prophezeit, der einst aufgehen wird...
Dieser Stern weist dann auf dem rechten Kapitell den Heiligen drei Königen, die ja wohl eigentlich Weise oder Magier aus dem Morgenlande waren, den Weg zum Jesuskind, um ihre Geschenke darzureichen.

Stern mit Weisen
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"Angefangen bei der Prophezeiung bis zum Tag des Jüngsten Gerichts scheint der Schmuck auf dem Portal ... die Metapher jenes Erlösungspfades auszudrücken, den Christus, bzw. die Sonne, bescheint und der den Sinn selbst des Pilgerns verkörpert: Nicht das Endziel ist wichtig, sondern der Wandlungspfad selber." (Stefania Mola, 1)


Bild "Siponto2_01.jpg"   Auch die Türpfosten werden von einem
phantastischen Rankenwerk bedeckt, die
Pflanzenstengel schlingen sich um Men-
schen, Tiere und Fabelwesen.
"(Das Portal) lässt wie kaum ein zweites
die ehrfurchtheischende Vitalität romani-
scher Gestaltungskunst und das ihr inne-
wohnende Prinzip von ergreifend schlich-
ter Bildsprache, Ausgewogenheit und
Symmetrie empfinden."
(Ekkehart Rotter, 2)
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 Details der Türpfosten
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Fratzen zwischen Blättern:
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Westfassade und Innenraum

Die eigentliche Hauptseite ist dagegen schlicht gestaltet; sie wird durch Lisenen in fünf Bereiche gegliedert, das Westportal in der Mitte zeigt lediglich einen mit Akanthusblättern geschmückten Bogen.

San Leonardo di Siponto, Westseite
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Kapitell im Innern

Das Innere besteht aus drei Schiffen, doch das südliche Seitenschiff ist abgemauert, so dass beim Betreten zunächst der Eindruck eines zweischiffigen Raumes entsteht. Über den zwei Kuppelgewölben des Mittelschiffs erheben sich außen die an Vierungstürme erinnernden "Türme".

Innenraum
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Ostseite mit Apsiden und Konsolen

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Einige der Konsolsteine des Daches sind mit figuralem Schmuck versehen. Besonders aufwändig und bizarre Verzierungen lassen sich jedoch an der Ostseite, an den Konsolen der Mittelapsis entdecken. Alle drei Schiffe der Kirche enden in Apsiden, die durch Blendbögen und Fenster geschmückt sind.

Konsolen ...
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... und Apsiden
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Auch an der Kirche San Leonardo di Siponto befindet sich eine Informationstafel (Ministero per i Beni e le Attivita Culturali), auf der das Bauwerk in italienischer und englischer Sprache beschrieben wird. Das ist für die Besucher und Touristen eine richtig gute Idee! Nachfolgend wird der englische Text wiedergegeben:

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Informationstafel neben der Kirche:
"Ministero per i Beni e le Attivita Culturali, Commune di Manfredonia: Chiesa di S. Leonardo di Siponto, sec. XII
Situated at the foot of Mount Gargano in a zone known as Lama Volara, the church was the last safe place for pilgrims to break their journey before climbing the Sacred Mountain to reach the sanctuary of St. Michael the Archangel. The building is the oldest part of a huge complex that comprised a convent and a hospitalium where the poor were given a shelter. Founded by the canons regular of St. Augustine - a community of Benedictines devoted to giving assistance to infirm pilgrims, mentioned in historical documents as far back as 1127 - the church's estate and property increased thanks to the protections of the Normans and reached its height of splendour between the second half of the XII and the middle of the XIII century, after which the Augustinians fell into decline. It was taken over by the Teutonic Knights who worked hard to bring improvements to the complex and enlarged both the church and the convent. They remained until 1482, year in which the Pope ordered them to hand over the complex to Cardinal Giacomo Sclafenato of Parma, who was succeeded by the cardinals of the Gaetani family (1561-1634), those of the Barberini family (until 1704), and lastly those of the Acquaviva of Aragon family (until 1788). At the end of the XII century the building probably appeared as we see today. The outside walls are characterized by a series of pilasters joined to small pensile arches that subdivide the main facade into five sections; the entrance portal stands in the central one. The nave and two side aisles, each terminating in a projecting apse, are separated by cruciform pillars. The two side aisles have a semi-barrel-vaulted roof, the first and third span of the nave are domed while the central span has a slightly pointed barrel-vaulted roof. Of particular interests is the ornate skylight in the vault: it is a gnomonic opening through which, at midday on the summer solstice, a ray of sun shines designing a circle of light exactly between th two pillars that stand near the side entrance on the north facade which looks onto the pilgrims' way. In fact, it is on this facade that a portal, much more magnificent than the main entrance, was built, so as to draw the attention of passers-by. Surrounded by a prothyrum resting on two column-bearing lions, the portal (end of XII century) is richly decorated: figures of humans and monsters restrained by elegant racemes are to be found on the jambs and archivoltes; the lunette is dominatd ba the figur of Christ in a vesica sustained by angels and surrounded by the symbols of the Evangelists; the figures of a man and a donkey (a reference to the biblical story about Balaam's donkey), the Archangel Michael, and the Adoration of the three Wise Men, are portrayed on the capitals."
Informationstafel an der Kirche San Leonardo di Siponto, engl. Text



Quellen:
(1) Stefania Mola: Apulien, die Kathedralen, Mario Adda Editore, Bari 2008, Übers. aus dem Ital.
(2) Ekkehard Rotter: Apulien, DuMont-Kunstreiseführer, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2012

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Brindisi