Notre Dame ist eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Europas - ist doch die Kathedrale nicht nur ein Wahrzeichen von Paris oder Frankreich. Jetzt hat die Brandkatastrophe vom 15./16. April die Menschen ins Herz getroffen. Aber Hoffnung und Zuversicht wachsen: Die Kathedrale wird wieder aufgebaut werden!


Portale der Kathedrale Notre Dame de Paris - Teil 2: Nord- und Südseite


Das Portal des Nordquerhauses - die Legende des Theophilus


Bild "NotreDame_Portal4_01.jpg"
Nordportal
Bild "NotreDame_Portal4_02.jpg"
Zeichnet sich die Westfassade durch ruhigen Ernst aus, so stellt die Nordfassade des Querhauses dar, was man unter französischer Hochgotik versteht: Blendarkaden, Wimperge, Krabben und Kreuzblumen schmücken die geschossübergreifenden Bauglieder. Das erzählfreudige Tympanon des Portals ist in drei waagerechte Streifen geteilt.
Der Name des Baumeisters der Nordseite ist überliefert: Jean de Chelles. Er hat Mitte des 13. Jahrhunderts mit "diesem Fassadenentwurf eine bahnbrechende Lösung geschaffen, die - anders als die Westfassade von Notre Dame - überall in Frankreich, ja in ganz Europa Nachfolge fand" (1).

"Theophilus"-Portal
Bild "NotreDame_Portal4_03.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_04.jpg"
Bild "NotreDame_Portal4_05.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_06.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_07.jpg"

In den beiden oberen Teilen des Tympanons wird die Theophilus-Legende erzählt:
Bild "NotreDame_Portal4_08.jpg"
Ganz oben sitzt der Erzähler und präsentiert den zurückgewonnenen teuflischen Vertrag, um sich geschart die gebannt lauschenden Zuhörer, darunter im mittleren Streifen die Geschichte selbst. Worum geht es? Theophilus, der angesehene hohe Beamte verliert sein Amt und schließt, um es zurückzubekommen, einen Pakt mit dem Teufel. Diese Szene ist ganz links dargestellt, Theophilus legt zur Bekräftigung des Vertrages, wie es im Mittelalter üblich war, seine Hände in die des Teufels. Zweite Szene: Theophilus ist jetzt wieder hochangesehen in Amt und Würden. (Ähnlichkeiten mit heutigen bekannten Personen oder Zuständen wären rein zufällig.) Doch dem Theophilus kommen bald darauf Zweifel an seinem Partner und er ruft vorsichtshalber die Jungfrau Maria an. Diese erscheint prompt, scheucht den Teufel weg und rettet so die Seele des Theophilus, der am Ende dankbar vor ihr kniet ...

Bild "NotreDame_Portal4_09.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_10.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_11.jpg"

Die beliebte Theophiluslegende war im Mittelalter in verschiedenen Fassungen bekannt. Sie diente auch als Grundlage für Mysterienspiele. Hier am Nordportal von Notre Dame wird durch aktive Einsicht die Konsequenz menschlichen Handelns ins Bewusstsein geholt - eine eindringliche Mahnung an die Zeitgenossen!

Im unteren Streifen des Tympanons werden Episoden aus dem Leben Marias bzw. Jesu dargestellt:
Bild "NotreDame_Portal4_12.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_13.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_14.jpg"
Links die Geburt, Maria liegt auf dem Bett, stützt den Kopf in die Hand und schaut auf ihr Kind in der Krippe, Joseph steht dabei (Ochs und Esel sind auch da), dann folgen die Darbringung im Tempel, der von Herodes befohlene Kindermord (den ihm ein Teufelchen einflüstert!) und ganz rechts die Flucht nach Ägypten.

Bild "NotreDame_Portal4_15.jpg"
Nordportal
Bild "NotreDame_Portal4_16.jpg"
Die Gewändestatuen des Nordportals wurden während der Französischen Revolution zerstört und sind bisher nicht ersetzt worden. Original erhalten aus der Zeit von 1220/1230 ist aber die Madonna am Trumeaupfeiler, nur das Kind ist entfernt worden. Hier am Mittelpfeiler begegnet uns der "höfische Stil" der französischen Skulptur, elegant und mit leichter Drehung aus der Hüfte wendet sich die schlanke Gestalt der Maria den einst seitlich vorhandenen Figuren (oder ihrem Kind?) zu. Interessant sind auch die Figuren in den drei Bögen der Archivolten: In der mittleren Reihe werden ausschließlich Frauengestalten (mit Märtyrerpalmen) dargestellt, sie tragen meistens Kelche, ein Buch und eine das Herz in ihrer Hand.

Bild "NotreDame_Portal4_17.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_18.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_19.jpg"Bild "NotreDame_Portal4_20.jpg"


Das "Rote" Portal an der Nordseite

Abseits vom Touristenstrom befindet sich ein weiteres Portal an der Nordseite der Kathedrale, das etwa aus der Zeit um 1250 stammt und vor kurzem restauriert wurde. Im Tympanon erkennt man die Marienkrönung, links und rechts neben Maria und Christus kniet das französische Königspaar Ludwig VII. und Margarete. In den Archivolten werden Episoden aus dem Leben des legendären Pariser Bischofs Marcellus dargestellt.

Das Rote Portal
Bild "NotreDame_Portal5_01.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_05.jpg"
Bild "NotreDame_Portal5_03.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_04.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_02.jpg"
  

Der im 5. Jahrhundert lebende Marcellus ist einer der Schutzheiligen der Stadt, er soll einst einen Angst und Schrecken verbreitenden Drachen verjagt und noch viele andere Wunder (darunter die Verwandlung von Seinewasser in Wein) getan haben.

Bild "NotreDame_Portal5_06.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_07.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_08.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_09.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_10.jpg"Bild "NotreDame_Portal5_11.jpg"


Das Südportal

Bild "NotreDame_Portal6_01.jpg"
Notre Dame, Südansicht
Das Portal des Südquerhauses ist dem heiligen Stephanus (franz.: St-Etienne), dem ersten Kirchenpatron, gewidmet. Der öffentliche Zugang ist durch die Absperrung leider nicht möglich, hier sind verschiedene Restaurierungswerkstätten angesiedelt. Immerhin lässt sich das Portal durch das Gitter aus der Ferne betrachten. Die Südfassade des Querhauses ist prachtvoll gestaltet: unten das Portal mit seinen Gewändestatuen, Trumeaufigur, Tympanon und geschossübergreifendem Wimperg, darüber befinden sich Maßwerkfenster und die weithin über Seine sichtbare große Südfensterrose. Den Giebel des Querhauses schmückt ebenfalls eine Fensterrose.

Südportal
Bild "NotreDame_Portal6_02.jpg"Bild "NotreDame_Portal6_03.jpg"
Bild "NotreDame_Portal6_04.jpg"Bild "NotreDame_Portal6_05.jpg"Bild "NotreDame_Portal6_06.jpg"

Auch hier ist der Name des Baumeisters überliefert: Pierre de Montreuil. Er entwickelte die Architekturauffassung seines Vorgängers Jean de Chelle weiter, im Vergleich mit der Nordfassade wirkt die Südseite noch bewegter, noch räumlicher, noch filigraner. Die Figuren des Tympanon befreien sich von ihrem reliefartigen Hintergrund, sie treten nach vorn, bilden Gruppen und beziehen sich aufeinander. In den beiden Streifen des Tympanons werden Szenen aus dem Leben und vor allem das Martyrium des heiligen Stephanus erzählt. Die Trumeaufigur des hl. Stephanus, die Figuren des Tympanon und der Archivolten blieben im Gegensatz zu den Gewändestatuen original erhalten, bei den letzteren handelt es sich also um Kopien.



Bild "NotreDame_Portal6_07.jpg"
Bild "NotreDame_Portal6_08.jpg"


Bild "NotreDame_Portal6_09.jpg"

-----
Quelle und Literaturtipp:
1) Julia Droste-Hennings, Thorsten Droste: Paris, Eine Stadt und ihr Mythos, DuMont Reiseverlag, Ostfildern, 2. Auflage 2005

Bild "0_up.png"
Bild "0_back.png"
Notre Dame - Teil 1
  
oder    Bild "0_next.png"
nach St-Denis